Geschmierte Geschäfte – Lesothos Staudamm ist ein Denkmal im Kampf gegen Korruption

„Korruption ist wie Tango. Du kannst ihn nicht allein tanzen“. Dieses Sprichwort verwenden sie gerne, die Ermittler der vielen Korruptionsfälle in Afrikas größtem Staudammprojekt. Denn das kleine Königreich Lesotho kämpft gegen die Nutznießer, aber auch gegen die Bestecher aus der ersten Welt.

Es ist noch früh, als der kleine, adrette Mann aus seinem schwarzen Mercedes steigt. Der Parkplatz am Regierungsgebäude in Lesothos Hauptstadt Maseru ist wie immer für ihn reserviert. Leaba Thetsane, Leiter der staatlichen Anklagebehörde, steht in gerader Schrift auf dem Metallschild. Er eilt die verschlungenen Korridore entlang, geschäftig und in Gedanken versunken. Vorbei an seiner Sekretärin, die mich misstrauisch mustert, als ich vorstellig werde, ihren Chef zu treffen.

In schwarzem, korrekt sitzendem Anzug empfängt er mich mit offenen Armen und wachsamen Augen. „Wie sind sie eigentlich auf mich gekommen?“ fragt er bescheiden lächelnd, während wir uns auf den roten schweren Ledersesseln niederlassen. Dabei ist er einer der wichtigsten Männer in Lesothos Kampf gegen die Korruption, „die unser Land gefährdet.“ Nach seinem Examen 1986 an der Universität von Lesotho entschied sich Thetsane zunächst für eine Karriere als Anwalt. Seine unnachgiebige, akribische Arbeit fiel auf im Justizsystem – vor sechs Jahren holte ihn das Ministerium in seine Reihen. Die Verantwortung übernimmt er erfolgreich, ohne viel Aufhebens davon zu machen. Durch die Art, wie Thetsane spricht, so leise aber bestimmt, wirkt er wie einer, den seine Gegner leicht unterschätzen.

An Gegnern mangelt es ihm derweil nicht. Wie das „Who is Who“ der internationalen Baubranche liest sich die Liste der multinationalen Unternehmen, denen Thetsane an den Kragen will: Acres International aus Kanada, Spie Batignolles mit Sitz in Frankreich, die italienische Impreglio und die deutsche Firma Lahmeyer International GmbH mit Sitz im hessischen Bad Vilbel sind vier davon. Sie und andere Unternehmen bauen in dem kleinen südafrikanischen Land seit 1986 das größte Staudammprojekt Afrikas. 12 Milliarden Dollar soll es insgesamt kosten. Auf 30 Jahre ist es angelegt. Finanziert mit Geldern der Weltbank, der EU und verschiedener europäischer Staaten. Ein kilometerlanges System aus Tunneln und insgesamt drei Staudämmen liefert heute tausende Kubikmeter Wasser aus dem „Königreich der Berge“ in die benachbarte südafrikanische Provinz Gauteng und versorgt Lesotho gleichzeitig mit Strom.

Der Traum vom weißen Gold

Bis das erste Wasser in Südafrika ankommt, ist es ein langer Weg. 1986 wird für die Planer des Staudammes ihr langjähriger Traum wahr. Das südafrikanische Apartheidsregime und Lesothos Militärregierung sind sich mit den internationalen Partnern einig geworden. Das enorme Bauvorhaben kann beginnen. Zu diesem Zeitpunkt hat Thetsane gerade erst als Anwalt begonnen und sich nur am Rande für das weiße Gold, wie sie das Wasser hier nennen, interessiert. Andere setzen schon jetzt große Hoffnungen auf Arbeitsplätze und Wohlstand. Die Veränderungen bewegen das Land und schaffen Platz für Träume. Denn Lesotho ist arm. Nur zehn Prozent des Landes sind als Ackerland nutzbar, in den Bergen werden Ziegen und Rinder gehalten. Riesige Baumaschinen und Kipplaster, die sich durch die neu angelegten Teerstraßen hangeln, werden zum Symbol der neuen Zeit.

An dem Tag, als der erste Stausee 1998 geflutet wird, tanzen die Menschen auf der Straße zu Ehren dieses großen Momentes und ihres Königs Letsie III. Nelson Mandela ist auch gekommen. Er ist zu diesem Zeitpunkt seit vier Jahren Präsident Südafrikas. Als die Verträge für den Staudamm unterschrieben wurden, saß er noch im Gefängnis von Robben Island. Jetzt übernimmt er voller Stolz die Aufgabe, die Größe und Bedeutung des Projektes für beide Länder hervorzuheben. Von den Korruptionsprozessen, die das Land ebenfalls seit vier Jahren bewegen, ist an diesem Festtag nicht die Rede.

Wie damals, als zu Zeiten der Militärregierung in Lesotho nicht über die Schattenseiten des Projektes gesprochen wurde – nicht auf der Straße und erst recht nicht von offizieller Seite. Erst die freien Wahlen 1993 und die entschiedene Haltung der neu gewählten Regierung der sozialistischen Basotho Congress Party (BCP) können das Schweigen beenden. Mühsam rollen die Ermittler die verborgene Seite des Staudammprojektes, an dem so viele Hoffnungen hingen, auf. Erste Anklagen werden geschrieben, Verhandlungen beginnen.

Es folgen Prozesse, die das Land heute bereits rund 20 Millionen Maloti (rund 2,5 Millionen Euro) gekostet haben. „Korruptionsprozesse sind sehr teuer und schwierig, gerade für ein Land wie unseres, das unter den ärmsten der Welt rangiert,“ erklärt Thetsane ernst. Hilfsappelle an die Industriestaaten verhallten unbeantwortet. „Wir mussten lernen, dass ein Land, das Bestechung bestraft, besonders wenn es multinationale Konzerne verfolgt, damit alleine steht.“ In seiner leisen Art fügt er fast verschämt hinzu: „Wissen Sie, schon allein die Kosten für das Papier, diese zahlreichen Kopien machen uns zu schaffen“.

Seit sechs Jahren arbeitet Thetsane für das Justizministerium. Er erinnert sich aber noch an die Anfänge der Prozesse. Als 1993 in Lesotho die Militärregierung abdanken muss, machen die Gerüchte schnell ihre Runde. Beim Staudammprojekt haben sich einige ganz schön die Taschen gefüllt. Allen voran Masupha Sole, der damalige Geschäftsführer des Lesotho Highland Water Project. Er war der erste, der gestolpert ist. Lange fühlte er sich sicher. Sole machte keinen Hehl aus seinem ungewöhnlichen Reichtum – teure Autos, ein kostspieliges Haus, regelmäßige Luxusreisen und Konten in der Schweiz. 1994 wird er angeklagt. Er soll über örtliche Agenten von fast jeder beteiligten Firma Bestechungsgelder kassiert haben.

Die mühsame Kleinarbeit der Ermittler

Der Nachweis hierfür ist mühsam. Zeugen werden verhört. Ein langwieriger Schriftwechsel mit den Schweizer Banken folgt. 20.000 Seiten umfasst die Anklage, als 2001 endlich der Prozess beginnt. Nach einem Jahr sieht es die Kammer als erwiesen an, dass er über Verbindungsleute Bestechungsgelder in Höhe von rund neun Millionen Maloti (1,2 Millionen Euro) erhalten hat. Die Strafe ist drastisch: Er wird zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Berufung bringt ihm nur wenig ein, es bleiben noch 15 Jahre Haft. Der Prozess gegen Sole ist erst der Anfang. Für die beteiligten Unternehmen kommt es zu einer Art Kulturschock: Die Behörden geben sich nicht mit denen zufrieden, die auf afrikanischer Seite profitiert haben. Sie ermitteln weiter. Chef der Behörde ist seit einem Jahr Thetsane, ein ruhiger und konzentrierter Jäger. Er hat gute Leute an seiner Seite. Einer von ihnen ist der Generaldirektor der Abteilung Anti-Korruption, Borotho Matsoso.

Auf dem braunen Teppich in seinem Büro breitet er metergroße Schaubilder aus. Namen von Firmen sind in unterschiedlichen Farben mit den verschiedenen Agenten verbunden. Gestrichelte Linien stehen für Barzahlungen, durchgezogene Striche zeigen die zahlreichen Konten in Südafrika und der Schweiz. „In der Ersten Welt heißt es immer, Korruption kommt aus Afrika,“ sagt Ermittler Matsoso lächelnd mit seiner heiseren Stimme. „Wir sagen, Korruption ist wie Tango, du kannst ihn nicht alleine tanzen.“ Gefährlich sei sein Job sicher, sagt er lachend. „Aber Korruption ist auch gefährlich. Sie destabilisiert den Staat. Wir müssen unser Land vor diesem Übel schützen.“ Seine Leute nehmen ihm diese Motivation ab. Der Fahrer, der mich zum Hotel zurück bringt, ist sichtlich stolz auf seinen Chef. „Er ist einer der besten Polizisten, die wir in diesem Land haben. Einer, der ehrlich ist und unbestechlich.“

Der ehemalige Geschäftsführer Masupha Sole ist nicht der einzige, der von der Korruption profitiert hat. Mittelsmänner schleusten die Bestechungsgelder der westlichen Unternehmen durch viele Kanäle und behielten jeweils ein Stück des Kuchens für sich. Einer von ihnen ist Zalisiwonga Bam. Eine schillernde Figur, dessen Leben in der Vergangenheitsform erzählt werden muss. Vor der Verhandlung gegen Sole starb er nach einem Herzinfarkt. Die Anklage gegen ihn wurde daraufhin fallengelassen. Bam spielte nicht nur regelmäßig mit dem Geschäftsführer Sole Squash, er war bereits lange Jahre mit ihm befreundet und ging in seinem Büro ein und aus. Worüber sie gesprochen haben, weiß bis heute niemand. Doch die Ermittler sind sich sicher: Das Staudammprojekt war Thema, denn Bam wusste gut Bescheid über den Projektverlauf. Wenn er dieses Wissen clever einsetzten würde, könnten sie doch beide davon profitieren?

Überall in den Ermittlungen taucht der Ingenieur auf. Er ist eng mit Sole befreundet, wie das Gericht in der Verhandlung gegen Lahmeyer feststellt und hat gute Kontakte, auch zu Lahmeyer International. Die deutsche Firma ist mit Planungsstudien schon lange in Lesotho dabei. Obwohl lokale Repräsentanten – im Unterschied zu anderen Staaten – in Lesotho nicht vorgeschrieben sind, setzte die Firma Lahmeyer Bam als Berater auf die Gehaltsliste. Gleichzeitig war er von 1988 bis 1991 in Botswana als Direktor einer Wohnungsbaugesellschaft tätig. Darüber stolpern die Ermittler und auch die Richter im Verfahren gegen Lahmeyer International. Warum sollte das Unternehmen, dessen Mitarbeiter die kleine Bauszene selbst gut kennen, einen Mittelsmann bezahlen, der gar nicht in Lesotho vor Ort ist?

Zu dieser Zeit geht es um den Auftrag C 46, einem von zwölf Fällen, die später vor Gericht untersucht werden. In Bad Vilbel ist man zu dieser Zeit nervös, zwei Angebote des Unternehmens wurden abgelehnt. Laut Urteil des Gerichtes im Verfahren gegen Lahmeyer soll Bam im Juni 1988 sein Wissen Dr. S., zu der Zeit Ingenieur bei Lahmeyer International, bei einem Besuch in Deutschland mitgeteilt haben: das Angebotsverfahren für C 46 beginnt. Das Unternehmen bewirbt sich und kommt in die engere Auswahl. Zwei Monate nach dieser guten Nachricht eröffnet Bam eins von mehreren Schweizer Bankkonten. Ebenfalls in diesem Juni 1989 trifft er sich laut Ermittlungsakten erneut mit Dr. S. – diesmal am Frankfurter Flughafen. Im Dezember zahlt Lahmeyer 10 000 DM auf das Schweizer Konto von Bam. Das Angebot war erfolgreich, Lahmeyer wird im Juli 1990 zu mündlichen Verhandlungen über C 46 eingeladen und gewinnt am 23. Oktober die Ausschreibung. Einen Tag vorher hat Bam ein weiteres Konto in Genf eröffnet. Dort landen im Dezember 40 000 DM von Lahmeyer International. Ebenfalls für C 46 erhält er im Februar 1991 in bar 68 000 Maloti, das sind immerhin rund 10 000 Euro. Einen Monat später erreicht ihn ein weiterer Barbetrag in der gleichen Höhe. Die Zahlungen irritieren die Ermittler: ziemlich viel Geld für jemanden, der zur gleichen Zeit in Botswana fest angestellt ist und der, wie das Gericht später feststellt „über keinerlei besondere Fähigkeiten verfügt, die Lahmeyer vor Ort benötigt hätte“. Und noch etwas irritiert das Gericht: Es gibt weder Verträge, noch hat Lahmeyer das Geld – wie bei einem regulären Vertrag üblich – einfach auf eines der lokalen Bankkonten von Bam gezahlt. Was das Gericht nicht beweisen kann ist, dass Lahmeyer Bam das Geld gezahlt hat, mit der Intention, es an Sole weiterzugeben. „Was Bam sicherlich gemacht hat, ist Lahmeyer mit vertraulichen Informationen zu versorgen – und das machte seine Dienste wertvoll,“ heißt es in der Urteil des Berufungsgerichtes gegen Lahmeyer.

Mühsam verfolgen die Ermittler den Weg des Geldes. Einen Großteil hat Bam an seinen Freund Sole weitergeleitet. Unzählige Kontobewegungen müssen geprüft werden. Mal wurde eine Summe in französischen Franc, mal in kanadischen Dollars eingezahlt. Langsam gelingt es ihnen, das unübersichtliche Netz von Schweizer Bankkonten zu entflechten.

2002 wird der Fall Lahmeyer in Maseru vor Gericht verhandelt. Bis dahin haben Thetsane und seine Ermittler in mühseliger Kleinarbeit die Geschichte zusammengetragen. Aussagen gibt es nicht. Bam ist bereits tot. Dr. S., der zweite Mann, der Auskunft über das Gespräch am Frankfurter Flughafen und die Abmachungen bei C 46 geben könnte, zieht es vor, in Deutschland zu bleiben. Die Verteidigung von Lahmeyer weigert sich, ihn als Zeugen vorzuladen. Angeblich ist er krank und kann sich nicht mehr an die Vorfälle erinnern. Belege gibt es dafür nicht. Im August 2003 spricht der Oberste Zivilgericht die Firma in insgesamt sieben Fällen der Bestechung schuldig.

Doch Lahmeyer geht in Berufung. Ihr Hauptargument: Das Unternehmen wusste nicht, dass ihr Agent vor Ort das Geld weiterleitet. Zwei Jahre nach dem ersten Richterspruch bestätigt das Gericht in Maseru in zweiter Instanz nicht nur das Urteil, sondern verurteilt Lahmeyer zusätzlich in einem weiteren Fall wegen Bestechung. Die Richter sprechen von „Bestechung in ungeheurem Ausmaß“ und erhöhen die Strafe auf 12 Millionen Maloti (ca. 1,6 Millionen Euro). Noch im gleichen Jahr zahlt die Firma das Geld und kommentiert lakonisch: „Lahmeyer International bedauert die Entscheidung des Gerichts, die ausschließlich auf Indizien beruht.“

Für Leaba Thetsane und seine Ermittler hat sich die jahrelange Kleinarbeit gelohnt. Der Leiter der Anklagebehörde ist zufrieden mit dem Urteil. „Ich denke, dass die Unternehmen die konsequente Haltung der lesothischen Behörden unterschätzt haben,“ spekuliert er und seine Augen blitzen für einen kurzen Moment auf.

Für ihn ist das Kapitel Lahmeyer jedoch noch nicht abgeschlossen. Denn auch der nächste Geschäftsführer hißte was Korruptionsexperten „Rote Flaggen“ nennen. Mindestens sechs große Grundstücke in Südafrika hat er sich gekauft und angeblich bar bezahlt. Die Ermittler gehen davon aus, dass Lahmeyer nicht nur Sole bestochen hat, sondern auch noch dessen Nachfolger. „Es gibt praktisch keinen Unterschied zwischen Lahmeyer I und dem nächsten Fall, den wir jetzt Lahmeyer II nennen,“ erklärt Thetsane. Der Vorwurf lautet auf Bestechung des neuen Chefs des Projektes, Reatile Mochebelele. Eine Millionen Maloti (rund 130 000 Euro) soll der Nachfolger von Sole zwischen 1996 und 1999 von der deutschen Firma erhalten haben. Besonders brisant: Reatile Mochebelele ist mittlerweile Berater des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki.

Die Wende? Unternehmer als Kronzeugen?

Die Geschäftsführung von Lahmeyer International will auf mehrfache Anfragen zu den Vorwürfen zunächst keine Stellung beziehen. Doch dann erreicht mich ein nicht mehr erwarteter Rückruf von Dr. Henning Nothdurft. Der Leiter der Geschäftsführung erklärt bestätigt einen Artikel der Sunday Times Südafrika, wonach die Frankfurter Firma angekündigt hat, vor Gericht gegen den ehemaligen Geschäftsführer des Staudammprojektes Mochebelele auszusagen. „Wir wollen offen sein und arbeiten sehr kooperativ mit den Behörden in Lesotho zusammen“, erklärt Nothdurft. Die Vorgänge lägen bereits weit zurück und man wolle „diese alte Geschichte endlich aus der Welt schaffen“ sagt er und verweist auf damals übliche Geschäftspraktiken.

Treten Vertreter des Unternehmens als Kronzeugen auf, könnte tatsächlich im Gegenzug der Vorwurf gegen das deutsche Unternehmen fallengelassen werden. Für die Ankläger selbst wäre diese Wendung der große Durchbruch in den jahrelangen Ermittlungen. Sie erhoffen sich Antworten und Beweise gegen Mochebelele – auch wenn das deutsche Unternehmen dann straffrei ausgeht. Die Gerichtsverhandlung ist für Anfang April angekündigt. Zu den konkreten Vorwürfen will sich Nothdurft nicht äußern und verweist auf die laufenden Untersuchungen.

Was tatsächlich die Wende in Bad Vilbel eingeläutet hat, bleibt Spekulation. Immerhin drohten dem Unternehmen, das 80 Prozent seiner Projekte im Ausland hat, Sanktionen der Weltbank. Rund 155 Millionen Dollar hat die Weltbank in das Projekt gesteckt. Nach den ersten Prozessen folgten bereits für einige Firmen unangenehme Befragungen in Washington, dem Sitz der Weltbank. Erstmals griff das Sanktionskomitee der Organisation hierbei zu einem Mittel, das sonst eher kleinere Unternehmen trifft. Mit Acres International aus Kanada wurde ein multinationales Unternehmen für drei Jahre auf die Schwarze Liste der Weltbank gesetzt, d.h. von Weltbankprojekten ausgeschlossen. Ein ungewöhnlich drastischer Schritt.

Auch Lahmeyer soll nach Angaben von Weltbankbeobachtern wiederholt aufgefordert worden sein, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. „Wir stehen mit der Weltbank in Kontakt“, bestätigt Nothdurft. Das Sanktionskomitee hat sich bis heute ausdrücklich offengehalten, die Untersuchungen wieder aufzunehmen. „Wir untersuchen weiterhin alle Fälle, die mit dem Staudammprojekt in Lesotho in Verbindung stehen – natürlich auch Lahmeyer“, so Edith Wilson, Sprecherin der Weltbank. Deshalb seien sie auf alle Ermittlungsergebnisse aus Lesotho angewiesen. Nicht bestätigen will sie, dass die Weltbank das Unternehmen aufgefordert haben soll, bis zum Dezember vergangenen Jahres Stellung zu den Vorwürfen aus Lesotho zu nehmen, wie verschiedene NGO’s berichten.
„Aber ich versichere Ihnen, wir beobachten die Entwicklung sehr genau“.

Vom Hoffnungsträger zum Symbol der Enttäuschung

Afrikas größtes Staudammprojekt ist nicht nur zu einem Denkmal der Korruption geworden. Zwar verdient Lesotho nach offiziellen Angaben durch den Verkauf von Wasser monatlich durchschnittlich 392 Millionen Maloti (rund 64 Millionen Dollar). Die Lage der Menschen vor Ort hat sich jedoch nicht verbessert. Etwa 27 000 Bewohner wurden durch das Wasserprojekt umgesiedelt. Die Männer, die in den Minen Südafrikas gearbeitet hatten, kamen zurück nach Hause. Denn plötzlich gab es genügend Arbeit im eigenen Land. Wer umgesiedelt wurde, sollte fünfzig Jahre lang Lebensmittel für die ganze Familie bekommen. Neue Häuser, ja ganze Dörfer baute das Projekt und organisierte auch noch den Umzug der Familien. Doch der Glanz des Bauprojektes reichte nicht so weit, die vielfältigen Probleme des Landes auch nur annähernd zu lösen. Jetzt, wo die aufwändige Bauperiode abgeschlossen ist, sind die Männer wieder ohne Arbeit. Erst 2004 musste die Regierung den Notstand ausrufen und bis heute ist das Land von Lebensmittellieferungen abhängig. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahren massiv – besonders durch Aids – auf 36 Jahre gesunken.

Rund 40 Prozent der Menschen sind von internationaler Nahrungsmittelhilfe abhängig. Viele haben sich durch die jahrzehntelange Präsenz der internationalen Organisationen an diesen Zustand gewöhnt. Dazu kommen diejenigen, die ohne eigenen Antrieb auf die Lebensmittel vom Wasserprojekt warten. Denn nach der Umsiedlung fehlt den Familien Land, das sie selbstständig bestellen können. Sie müssen auf die jährliche Ration Mais und Bohnen warten. Die bleibt immer öfter aus. „Sie sagen immer, wir kommen sicher und dann tun sie es doch nicht,“ ereifert sich eine Frau. Sie wurde mit ihrer Familie in ein neues Haus umgesiedelt. Hier soll sie mit Gas kochen, das ist ihr zu unheimlich. Aber es gibt auch nichts zu kochen. Als sie gefragt wird, warum sie sich nicht beschwert, zuckt sie mit den Schultern. „Ich weiß doch gar nicht wo. Niemand ist verantwortlich.“

Diese Reportage entstand im Rahmen eines Stipendiums des Netzwerks Recherche.