20 Monate nach dem Mord an der bekannten Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta Cáceres in ihrem Haus in Honduras sowie dem versuchten Mord an dem mexikanischen Aktivisten Gustavo Castro erhebt eine internationale Expertengruppe schwere Vorwürfe gegen die honduranischen Ermittlungsbehörden. »Die Staatsanwaltschaft verfügt über beweiskräftige Informationen, um die intellektuellen Täter zu überführen«, erklärt die unabhängige Gruppe von Juristen GAIPE (Grupo Asesor Internacional de Personas Expertas) bei der Veröffentlichung ihres Abschlussberichts am 31. Oktober in Tegucigalpa. Die Gruppe von fünf Rechtsexperten aus den USA, Kolumbien und Guatemala hatte sich im November 2016 auf Initiative von Cáceres’ Familie zusammengefunden. Der honduranische Staat hat die Arbeit von GAIPE nicht anerkannt.
Seit der Ermordung von Cáceres am 2. März 2016 sind Verfahren gegen acht Männer eröffnet worden, darunter Mitarbeiter des Wasserkraftunternehmens DESA und Militärangehörige. GAIPE kommt jedoch zu dem Schluss, dass die wahren Hintermänner weiterhin auf freiem Fuß sind. Das ausgewertete Material – zum großen Teil Kommunikationsdaten von den Mobiltelefonen – bringt sie zu dem Ergebnis, dass der Plan, die Koordinatorin der Indigenenorganisation COPINH zu ermorden, von einer höheren Führungsebene des Wasserkraftunternehmens DESA in Kollaboration mit staatlichen Funktionären ausgegangen sein muss. Konkrete Mordabsichten bestanden demnach spätestens seit November 2015.
GAIPE zeigt eine Vielzahl von Unregelmäßigkeiten in den offiziellen Ermittlungen auf. Die Spurensicherung erfolgte unprofessionell, Ermittlungsprotokolle wurden direkt an DESA übermittelt. Die existierenden Beweise würden sowohl ausreichen, um weitere Personen anzuklagen, als auch, um sie für weitere Verbrechen verantwortlich zu machen, etwa die Bildung einer kriminellen Vereinigung oder Amtsmissbrauch. GAIPE hat in ihrem Report auch das politische Klima untersucht, in dem es zu dem Verbrechen gekommen ist: Von der widerrechtlichen Konzessionsvergabe an das Staudammunternehmen DESA, gegen die sich Berta Cáceres mit ihrer Organisation COPINH richtete, bis hin zum Nichtverfolgen der vorausgegangenen Bedrohung, Verfolgung und Bespitzelung von Cáceres. Eine Mitschuld gibt GAIPE auch den internationalen Geldgebern, die lange vor Cáceres’ Ermordung von dem hohen Gewaltniveau in dem Konflikt um das Wasserkraftprojekt Agua Zarca gewusst hätten.
Das Hochkommissariat für Menschenrechte der UN sowie die Interamerikanische Menschenrechtskommission fordern den honduranischen Staat nun auf, schnell, umfassend und unparteiisch zu ermitteln und sowohl die materiellen Täter als auch die Auftraggeber zur Verantwortung zu ziehen. Den Angehörigen müsse ihr Recht auf Zugang zu allen Ermittlungsakten gewährt werden, von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission angeordnete Schutzmaßnahmen für die Angehörigen von Cáceres, ihre Anwälte sowie Mitglieder des COPINH müssten endlich umgesetzt werden.
Der Zeuge und Überlebende der Mordnacht, Gustavo Castro, plädiert dafür, den nationalen und internationalen Druck aufrechtzuerhalten. Nur so sei es gelungen, acht der mutmaßlichen Täter vor Gericht zu bringen.