Geschenktes Leben, verschenkte Gesundheit

DER STOFF, AUS DEM DIE TRäUME SIND

Die einen wünschen sich Kinder, die anderen versprechen Heilung – Eizellen sind eine fast normale Ware auf dem Gewebemarkt

Im Dezember 2005 endete die steile Karriere des südkoreanischen Klonforschers Hwang Woo-Suk mit einem tiefen Fall. Eine Untersuchungskommission der Seouler Nationaluniversität wirft ihm vor, seine in den renommierten Wissenschaftszeitschriften Science und Nature publizierten Forschungsergebnisse seien komplett gefälscht gewesen und er habe niemals Stammzellen aus einem geklonten Embryo hergestellt Dem Skandal vorangegangen war die Tatsache, dass Hwang einen Teil der notwendigen Eizellen seinen Mitarbeiterinnen entnommen hatte. Doch abgesehen von der Daten-Manipulation haben Hwangs Experimente in der Wissenschaft Spuren hinterlassen: Der Klon-Erfolg scheint entscheidend davon abzuhängen, dass die verwendeten (menschlichen) Eizellen besonders frisch sind.

Nachfrage nach frischem Rohstoff
Der Skandal um die gefälschten Ergebnisse scheint der Stammzellforschung insgesamt kaum einen Dämpfer versetzt zu haben, vielmehr eifert die internationale Forschergemeinde Hwangs Klonerfolg nach. Wie die jüngste Entwicklung in Großbritannien zeigt, bemühen sich die Forscher dabei auch um neue Ressourcen. Nutzten Forscher bislang „überzählige“ Eizellen und Embryonen aus IVF-Behandlungen, die bei Befruchtungsversuchen übriggeblieben waren, operieren die Stammzellforscher neuerdings auch mit „frischen“, das heißt ausschließlich für die Forschung gespendeten Eizellen. In Großbritannien wird dies derzeit an den Universitäten Edinburgh und Newcastle praktiziert.

Eizellen sind sowohl grundlegende Ressource der Stammzellforschung als auch ein knappes Gut, das sich nicht in beliebiger Zahl beschaffen lässt. Und nicht nur Forscher interessieren sich für diesen „Rohstoff“, sondern auch gebärwillige Frauen, was dazu führen könnte, dass sich in Großbritannien eine über die Landesgrenzen hinaus wirkende Konkurrenz um Eizellspenden entwickelt. Anders als hierzulande ist es auf der britischen Insel Paaren erlaubt, eine Schwangerschaft mit gespendeten Eizellen anzubahnen. Allerdings müssen sie in staatlichen oder privaten Kliniken zwei Jahre oder länger darauf warten, eine entsprechende Spende zu empfangen, und die Begehrlichkeiten der Forschung könnte die Wartezeiten in Zukunft noch verlängern.

Um ihren Kinderwunsch nicht noch länger hinauszuzögern, machen viele Paare lieber einen so genannten „IVF-Urlaub“. Schon heute werden Pauschalreisen ins katholische Spanien angeboten, Fruchtbarkeitsbehandlung und Eizellen inklusive. In den spanischen Privatkliniken sollen die Erfolgsquoten höher sein, und die Paare werden sofort bedient. Die Wartezeiten in spanischen und osteuropäischen Kliniken sind auch deshalb kürzer, weil die Spenderinnen bezahlt werden und sich mehr Frauen zur Spende bereit erklären.

Die britische Gesetzgebung dagegen erlaubt lediglich die altruistische Spende von Samen und Eizellen. Die Human Fertilisation und Embryology Authority (HFEA), die den Umgang mit Embryonen, Ei- und Samenzellen reguliert, diskutiert derzeit jedoch eine höhere Aufwandsentschädigung für Spenderinnen, durch die Anreise und Verdienstausfall honoriert werden sollen. „Niemand sollte durch die Spende verdienen oder Verlust machen“, so James Healy von der HFEA.

Eine Eizellspende ist mit nicht unerheblichen körperlichen Belastungen verbunden: Die betreffende Frau wird mit Hormonen stimuliert, damit eine größere Zahl verwendbarer Eizellen heranreift. Ist die Hormongabe zu groß, läuft die Frau Gefahr, an einem ovariellen Hyperstimulationssyndrom (OHSS) zu erkranken, das im schlimmsten Fall zu Nierenschäden und zum Tode führen kann. Zwei beinahe tödliche Fälle von OHSS wurden im vergangenen Jahr in Rumänien bekannt. Die Frauen hatten 250 Euro für die Spende erhalten, waren jedoch nicht über die Risiken aufgeklärt worden. Nachdem die Frauen erkrankten, wurde ihnen von der Reproduktionsklinik eine Behandlung verweigert. Im April 2005 verstarb eine 33-jährige Londoner IVF-Patientin an OHSS; sie hatte die Eizellen für ihre eigene Behandlung einsetzen wollen.

Um die Gesundheit der Frauen zu schützen und Fälle wie in Rumänien zu vermeiden, soll in Großbritannien die kommerzielle Spende von Eizellen weiter verboten bleiben. Allerdings führt die Besorgnis nicht so weit, dass Frauen generell davon abgeraten würde, ganz im Gegenteil werden Frauen öffentlich zur selbstlosen Spende aufgefordert. Seit Beginn des Jahres 2005 läuft die Kampagne „Give Life – Give Hope“ („Verschenke Leben – Verschenke Hoffnung“). Würden nur 0,01 Prozent der fruchtbaren Bevölkerung Großbritanniens spenden, rechnet die Gesundheitsbehörde vor, könnte der nationale Bedarf an Ei- und Samenzellen gedeckt werden. Rosa Plakate, auf denen hüpfende Kinder Elternglück versprechen, sollen dazu animieren, dass Paare anderen Paaren zu Nachwuchs verhelfen.

Gefühlte Verpflichtung
Die Anthropologin Jacquelyne Luce vom Forschungsinstitut für Politik, Ethik und Biowissenschaften befragte in einer noch laufenden Untersuchung Spenderinnen und Spender nach ihrer Motivation. Bei den Spenderinnen handelte es sich um IVF-Patientinnen, die nach einem misslungenen Befruchtungsversuch ihre Eizellen zur Verfügung gestellt hatten. „Ein Teil der Patientinnen erklärte, dass sie gerne spenden, solange die Spende nicht zur Geburt eines Kindes führt.“ Gegen den Einsatz in der Forschung hätten sie nichts einzuwenden. Zwar sei den meisten Patientinnen nicht klar, um welche Art von Forschung es sich handelt, sie glaubten jedoch, anderen damit helfen zu können. „Manche fühlen auch eine Art Verpflichtung und denken, wenn nicht vor mir andere Frauen gespendet hätten, könnte ich jetzt keine Behandlung in Anspruch nehmen“, so Luce. Dass Frauen mittlerweile um die Spende frischer, nicht aus der IVF stammender Eizellen gebeten werden, fand in die Untersuchung keinen Eingang.

Luce befragte Paare, die sich in Newcastle hatten behandeln lassen. Alison Murdoch von der Universität Newcastle erhielt im August 2004 die erste britische Lizenz zum therapeutischen Klonen menschlicher Embryonen. Ein lokales Ethikkomitee erlaubte Murdoch im vergangenen Jahr außerdem, frische Eizellen für ihre Forschung zu verwenden. Im Newcastler Fertility Centre at Life liegen Reproduktionsklinik und Forschungslabore auf engstem Raum zusammen, sodass die Eizellen nur vom Behandlungszimmer über den Flur ins Forschungslabor getragen werden müssen. Stimmen die Patientinnen der Spende zu, stehen Murdochs Team also sehr frische Eizellen zur Verfügung, um daraus Stammzelllinien zu gewinnen.

Milliarden-Dollar-Industrie
Eine zweite Lizenz zum Klonen vergab die HFEA im Februar 2005 an Ian Wilmut, damals noch am Roslin Institute, inzwischen an der Universität Edinburgh ansässig. Der Klonpionier Wilmut, der auch mit dem Koreaner Hwang zusammen gearbeitet hat und durch Klonschaf „Dolly“ bekannt wurde, wirbt öffentlich für die altruistische Eizellspende. Das Gewebe benötigt er für seine Stammzellforschung, durch die er mehr über die tödlich verlaufende Amyotrophe Lateral-Sklerose (ALS) herausfinden will. ALS ist eine sehr seltene Krankheit, an der auf 100.000 Menschen ein bis zwei Personen erkranken, deren verheerenden Folgen, so behauptet Wilmut, Frauen jedoch veranlasse, ihre Eizellen abzugeben.

Ganz nebenbei erwähnt Wilmut allerdings auch die ökonomische Bedeutung der Stammzellindustrie. So prognostizierte er im Juni 2005 im San Francisco Chronicle, dass „der globale Markt für Stammzell- und Gewebezüchtung eine Milliarden-Dollar Industrie“ ins Leben rufe, in deren Gefolge Tausende neuer Jobs entstünden. Das Wichtigste, beeilte sich Wilmut zu erklären, sei natürlich, dass diese Industrie Millionen von Leben rettet“. Auf welche Weise diese Millionen gerettet werden sollen, bleibt ebenso im Dunkeln wie die Quelle, aus der die Industrie die notwendigen Eizellen beziehen will.

Die HFEA macht sich derweil Sorgen um die Akzeptanz der Stammzellforschung. „Die britische Forschungsgemeinde muss sich um die Öffentlichkeit bemühen, wenn das Land führend auf dem Gebiet der Stammzell- und Embryonenforschung bleiben soll“, ließ die Behörde im November 2005 verlauten. Neben der Heilung seltener Krankheiten wie ALS versprechen die Forscher auch großzügig, Volkskrankheiten wie Diabetes und Alzheimer zu heilen. Meldungen über Fortschritte auf diesen Gebieten stimmen die potenziellen Eizellspenderinnen positiv.

Ob nun das Geld oder ob moralische Verpflichtung die Frauen zur Eizellspende motiviert, ändert letztendlich wenig daran, dass die Zellen zu einer begehrten Ware geworden sind. Zwar ist der globale Handel noch beschränkt, weil die Eizellen auf langen Transportwegen an Güte verlieren. Doch während die Forscher an ihre Labore gebunden bleiben, bewegen sich andere Nachfrager einfach zu den Anbieterinnen. So könnte auch der steigende Forschungsbedarf dazu beigetragen, dass sich der Reproduktionsmarkt verlagert. Und in ärmeren Ländern kann Geld durchaus ein Anreiz sein, die eigene Gesundheit zu riskieren.