Bethanien: „Also, wir bleiben. Punkt.“

Das Berliner „Bethanien“ kommt nicht zur Ruhe: Linkspartei und SPD wollen die Besetzer räumen

Es ist herbstlich am Berliner Mariannenplatz. Ein Spaziergänger führt seine Hunde in der Sonne aus. Kinder toben durch die Blätter. Ein geradezu idyllischer Nachmittag. Michael und Katrin haben es sich auf einer Bank bequem gemacht. „Endlich! Ich war den ganzen Tag noch nicht draußen“, sagt der 38-Jährige. Denn es gibt viel zu tun in diesen Tagen im Künstlerhaus Bethanien. Genauer gesagt, seit vergangenem Montag. Da hatte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die Berliner Polizei angewiesen, das Haus nach vier Monaten Besetzung zu räumen.

Michael hatte gerade erst sein Zimmer fertig gestrichen und die Kisten ausgepackt. Jetzt packt er wieder ein. Zumindest das Wichtigste. „Wer weiß, wann und ob ich meine Sachen wiederbekomme.“ Aber die meiste Zeit verbringt er mit Planungen und Gesprächen, Pressekonferenzen und Flugblättern. „Sicher bin ich enttäuscht von der Linkspartei. Es ist schließlich das erste Mal, dass eine linke Partei ein Hausprojekt räumen lässt,“ sagt er. Auch wenn er eine weitere Eskalation erwartet hat, nachdem der Bezirk sich in den vergangenen Monaten geweigert hatte, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Auch nachdem die Besetzer bereits die geforderten Betriebskosten auf einem Konto hinterlegt hatten und ihr Anwalt beim Bezirksamt nachgefragt hat, wohin das Geld denn überwiesen werden solle.

„Es ist trotzdem bitter zu sehen, wie linke Politiker ihre Ideale verkaufen und sich für eine Privatisierung einsetzen, die an den Bedürfnissen der Menschen im Kiez völlig vorbei geht“, erklärt Katrin und blinzelt in die tief hängende Sonne. „Wir haben hier sehr schnell eine Kiez-Anbindung gefunden, Initiativen haben nach Räumen gefragt, es besteht einfach Bedarf nach einem sozialen Zentrum in Kreuzberg. Also bleiben wir. Punkt.“
Sie sieht in der Räumungsverfügung auch den Versuch, gegen die Bürgerinitiative für die Zukunft des Bethaniens vorzugehen. Denn deren Mitstreiter würden schließlich auch mit geräumt. Haben sie doch ihre Räume im ersten Stock des besetzten Hauses. Die Initiative, die erst vor kurzem Berlins erstes Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene auf den Weg gebracht hatte, wurde eigentlich von der Linkspartei unterstützt. „Ich denke, es ist kein Zufall, dass durch die Haltung des Bezirkes jetzt auch das Bürgerbegehren torpediert wird“, erklärt Stephanie Tkocz. „Unsere Vision für das Bethanien sieht eben anders aus. Wir wollen kein privatisiertes, etabliertes Künstlerhaus. Als das klar geworden ist, war Ende mit der Unterstützung.“

„Das ist unser Haus“

Mittlerweile ist es dunkel geworden. Eine Demo mitten im Kiez ist angesagt. Etwa 500 Unterstützer sind am Kottbusser Tor zusammen gekommen. Es geht nicht zur PDS oder zur SPD. Es geht durch den Kiez. Jürgen ist aus Prenzlauer Berg gekommen. Obwohl er es eigentlich skeptisch sieht, dass die Yorckies im Bethanien wohnen. „Das ist dann ja privater Wohnraum. Eigentlich stelle ich mir vor, dass das Bethanien für alle da ist.“
Aber ohne die ehemaligen Bewohner der Yorckstraße wäre die Initiative für das Bethanien niemals so stark geworden, „und dann hätte der Bezirk doch einfach und unbemerkt privatisiert“. Also läuft er doch mit. „Reinauer raus!“ Ein einsamer Rufer versucht es immer wieder, aber niemand schließt sich ihm an. Schließlich ist das Dilemma nicht auf die Person der Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg zu reduzieren. Das sieht Peter auch so. Er ist seit vielen Jahren politisch aktiv. Heute ist er bei der WASG. „Das ist doch wieder ein Beispiel mehr, warum wir nicht mit der PDS zusammen gehen können. Die treiben die Privatisierung doch voran, statt sie zu verhindern!“

Am Ende wird es nostalgisch. Rio Reiser schmettert über den Mariannenplatz „Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus…“ Viele Unterstützer kommen noch mit hinein, schließlich gibt es Volksküche und nachher noch ein Plenum. Gekocht haben die „Orange Chillies“. „Wir hatten eigentlich bei uns im Hausprojekt eine Vokü geplant, aber uns dann spontan entschieden, die Leute aus dem Bethanien zu unterstützen“.

Solidarität geht durch den Magen. Und bessert die Stimmung. Zumindest bei Bruno. Der Künstler hatte mit der Initiative Kukkuk Räume im Bethanien bezogen. Das Kollektiv für Kunst, Kultur und Kommunikation ist ein Forum für nicht etablierte Künstler und Künstlerinnen. „Wir sind ein Vernetzungspool für die kreative Umsetzung linker politischer Inhalte“, sagt Bruno. Am letzten Montag haben sie die erste Ausstellung eröffnet. Zehn Künstler aus dem Kiez haben hier ihre Sachen präsentiert. „Es war eine wirklich gute Ausstellung.“ Nur zu kurz. Denn jetzt haben alle ihre Sachen abgeholt. „Ich habe sie angerufen und ihnen gesagt, sie müssen das selber entscheiden.“
Bruno hat seine Herzensbilder wieder eingepackt. „Das war sehr bitter. Aber die Demo, die hat mir auch wieder Mut gemacht.“